05300 Rechtsgrundlage und Struktur der Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung
Einführung in die Rechtsgrundlagen und Struktur der Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden (Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung – MPAMIV) von: |
1 Einleitung
Die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung – MPAMIV) in Artikel 1 der Verordnung zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung – MPEUAnpV) vom 21. April 2021 (BGBl. I 2021, S. 833) wurde zur Anpassung des nationalen Medizinprodukterechts an
• | die Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte [1] – im Folgenden kurz MDR (Medical Device Regulation) genannt – und |
• | an die Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika [2] – im Folgenden kurz IVDR (In-vitro-Diagnostic Medical Devices Regulation) genannt – |
erarbeitet.
Die Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung – MPSV) vom 24.06.2002 [3] (BGBl. I 2002, S. 2131) kommt seit 26. Mai 2021 (Inkrafttreten der MDR) bzw. seit 26. Mai 2022 (Inkrafttreten der IVDR) nicht mehr zur Anwendung.
Nachdem das Vigilanzsystem bereits weitgehend in der MDR und in der IVDR sowie im MPDG geregelt ist, will der nationale Gesetzgeber mit der MPAMIV vor allem den Regelungsauftrag in Art. 87 Abs. 10 MDR bzw. in Art. 82 Abs. 10 IVDR umsetzen.
Art. 87 Abs. 10 MDR und Art. 82 Abs. 10 IVDR lauten wortgleich:
• | Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Organisation gezielter Informationskampagnen, um die Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten dazu zu ermutigen und ihnen zu ermöglichen, den zuständigen Behörden mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse gemäß Absatz 1 Buchstabe a zu melden. |
• | Die zuständigen Behörden zeichnen die Meldungen, die sie von Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwendern und Patienten erhalten, zentral auf nationaler Ebene auf. |
Die MPAMIV ist am 26. Mai 2021 in Kraft getreten. Sie besteht aus14 Paragrafen in zwei Abschnitten:
Abschnitt 1 enthält im Wesentlichen diedie ergänzende Begriffsbestimmung „Mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis” und hieraus resultierende Meldepflichten für Betreiber und Anwender von Medizinprodukten. Damit werden u. a. die Anforderungen von Erwägungsgrund 76 der MDR in nationales Recht umgesetzt (siehe unten Abschnitt 1.3).
Abschnitt 2 enthält Regelungen über den Informationsaustausch zwischen den Behörden für alle eingehenden sicherheitsrelevanten Meldungen und Maßnahmen von Herstellern oder Behörden.
Die übrigen, bisher in der MPSV enthalten Regelungen, finden sich in der MDR, wie z. B. die Meldepflichten des Herstellers und der Wirtschaftsakteure und die Marktüberwachung:
• | die Meldepflichten für Hersteller finden sich in Artikel 87 bis 90 MDR bzw. Artikel 82 bis 85 IVDR, |
• | die Meldepflichten für die übrigen Wirtschaftsakteure in den Artikeln 11 bis 14 MDR/IVDR) und umfassen auch „mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse”, |
• | die Regelungen zur Marktüberwachung finden sich in Artikel 93 bis 100 MDR bzw. 88-95 IVDR, |
und im Kapitel 5 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG) unter der Überschrift „Vigilanz und Überwachung” in den §§ 71 bis 82.
1.1 Historie der Regelungen
Früher: MPG und MPSV
Das frühere Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) enthielt im 5. Abschnitt in den §§ 25 bis 31 für Medizinprodukte die Überwachungs- und Meldevorschriften im Sinne des Medizinprodukterechts. Insbesondere war § 29 MPG mit der Überschrift „Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem” zu beachten. Im Anschluss an das 2. MPG-Änderungsgesetz war die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) erarbeitet worden, die am 28. Juni 2002 in Kraft trat. Sie gestaltete in Ergänzung zu § 29 MPG das Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem näher aus und konkretisierte dieses.
Das frühere Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) enthielt im 5. Abschnitt in den §§ 25 bis 31 für Medizinprodukte die Überwachungs- und Meldevorschriften im Sinne des Medizinprodukterechts. Insbesondere war § 29 MPG mit der Überschrift „Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem” zu beachten. Im Anschluss an das 2. MPG-Änderungsgesetz war die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) erarbeitet worden, die am 28. Juni 2002 in Kraft trat. Sie gestaltete in Ergänzung zu § 29 MPG das Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem näher aus und konkretisierte dieses.
Die MPSV enthielt alle Verpflichtungen und Anforderungen, die von den Beteiligten zusätzlich zu den Vorschriften des § 29 MPG zu beachten waren. Mit den getroffenen Regelungen wurden die entsprechenden Anforderungen der (nun abgelösten) europäischen Richtlinien umgesetzt – insbesondere
• | Artikel 8 der Richtlinie 90/385/EWG „Aktive implantierbare medizinische Geräte”, |
• | Artikel 10 der Richtlinie 93/42/EWG „Richtlinie «Medizinprodukte»” und |
• | Artikel 11 der Richtlinie 98/79/EG „Richtlinie «In-vitro-Diagnostika»”. |
Auch einzelne Elemente der MEDDEV-Leitlinie 2.12-1 „Guidelines on a Medical Devices Vigilance System” wurden als verbindliche Vorschriften in die MPSV übernommen.
Der Verordnungsgeber hat sich jedoch nicht auf die Umsetzung europäischer Vorgaben und deren nationale Implementierung beschränkt, sondern ist insbesondere insoweit darüber hinausgegangen, als er neben dem Verantwortlichen nach § 5 MPG auch
• | sonstige Inverkehrbringer, |
• | berufliche oder gewerbliche Betreiber und Anwender und |
• | den Sponsor sowie Prüfer und Hauptprüfer von klinischen Prüfungen bzw. Leistungsbewertungsprüfungen, |
ausdrücklich in das System der Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken mit einbezogen hat.
Seit 25.05.2021 gelten anstelle der bisherigen EU-Richtlinien „Aktive implantierbare medizinische Geräte” und „Medizinprodukte” und dem MPG sowie der MPSV die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR), das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) sowie die MPAMIV.
Seit 25.05.2022 gelten für „In-vitro-Diagnostika” die EU-In-vitro-Diagnostikaverordnung (IVDR) sowie ebenfalls das MPDG und die MPAMIV.
1.2 Das Vigilanzsystem
Die Meldepflichten und der Informationsaustausch zwischen den Behörden ist Teil eines Vigilanzsystems, das grundlegend in der MDR und in der IVDR für Medizinprodukte geregelt ist.
Das Vigilanzsystem (lateinisch vigilantia ‚Wachheit’, ‚Schlauheit’) ist ein Beobachtungs- und Meldesystem, dessen Einrichtung durch das europäische Medizinprodukterecht vorgegeben ist. Es umfasst alle Stufen der Marktbeobachtung in Verkehr gebrachter Medizinprodukte durch den Hersteller oder Importeur, die Beobachtung und Bewertung aller Vorkommnisse, deren Meldungen an die Behörden und der Gefahrenabwehr, wie z. B. Rückrufe. Weiterhin umfasst das Vigilanzsystem alle Informationsebenen der nationalen Behörden, ihre Unterrichtungen untereinander, ihre Risikobewertung und weitere Aktionen zur Gefahrenabwehr (s. Kap. 02083 ff.).
In Deutschland wurden diese Herstellerpflichten eingeleitet durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hat die Produktbeobachtungspflicht als eigenständige Verkehrssicherungspflicht des Herstellers in den Apfelschorf-Entscheidungen von 1981 näher definiert. [4] Diese Pflicht erstreckt sich über das Inverkehrbringen hinaus und verlangt vom Hersteller, sein Produkt kontinuierlich auf unbekannte schädliche Eigenschaften hin zu beobachten. Dabei muss er aktiv Informationen aus verschiedenen Quellen sammeln, um potenzielle Gefahren zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwendung zu ergreifen. Diese Maßnahmen können von Warnungen bis hin zum Rückruf der gesamten Produktionsserie reichen.
Die Produktbeobachtungspflicht beginnt bereits mit dem Inverkehrbringen des Produkts und erfordert eine systematische Überwachung der Produktbewährung. Der Hersteller sollte Zeitungsmeldungen, Testberichte, Fachliteratur, Unfallanalysen und Veröffentlichungen von Verbraucherverbänden auswerten. Auch die Entwicklungen und Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik auf dem einschlägigen Gebiet sollten verfolgt werden. Selbst die Produktentwicklung der wichtigsten Mitbewerber kann relevante Informationen liefern.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Produktbeobachtungspflicht auch Gefahren betrifft, die sich aus der Kombination des eigenen Produkts mit Produkten anderer Hersteller ergeben können. Bei Produkten, die von Dritten weiterverarbeitet werden, erstreckt sich die Pflicht auch darauf, ob die Weiterverarbeitung gefahrlos möglich ist. [5]
Nach der BGH-Rechtsprechung über die deliktische Haftung für Zubehör muss der Hersteller für Schäden durch die Nutzung von notwendigem sowie von ihm empfohlenen Zubehör, aber auch für solches Zubehör haften, dessen Nutzung er durch die Produktkonstruktion ermöglicht hat oder das den Verbrauchergewohnheiten entspricht. [6] Damit bezieht sich diese Rechtsprechung auch auf von der Produkthaftung nicht erfasste Beobachtungspflichten für Produktzubehör. Im bekannten Honda-Urteil des BGH lautet der 2. amtliche Leitsatz:
„Eine Pflicht zur Produktbeobachtung kann den Hersteller (und dessen Vertriebsgesellschaft) auch treffen, um rechtzeitig Gefahren aufzudecken, die aus der Kombinierung seines Produkts mit Produkten anderer Hersteller entstehen können, und ihnen entgegenzuwirken.”
Die antizipierende Marktbeobachtungspflicht ist der Produktbeobachtungspflicht nach § 823 BGB vorgelagert. Sie deckt sich mit der Produktbeobachtungspflicht, wenn das Produkt im Markt ist. Sie unterscheidet sich von ihr allerdings in der Zielsetzung aus der Richtlinie: Während die deliktische Produktbeobachtungspflicht von der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht auf den individuellen durch § 823 Abs. 1 BGB bestimmten Rechtsgüterschutz schließt, zielt die Marktbeobachtungspflicht als öffentlich-rechtliche Pflicht auf den präventiven Schutz des Einzelnen und der Allgemeinheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens und danach. Ihre Verletzung zieht nicht in erster Linie individuelle Schadensersatzansprüche, sondern behördliche Maßnahmen nach sich. [7]
Die allgemeine ordnungsrechtliche Regelung findet sich im Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktesicherheitsgesetz – ProdSG) vom 27. Juli 2021 [8] und in der unmittelbar geltenden EU-Marktbeobachtungsverordnung 2019/1020 [9] in Verbindung mit dem Gesetz zur Marktüberwachung und zur Sicherstellung der Konformität von Produkten (Marktüberwachungsgesetz – MüG) vom 09. Juni 2021 [10] .
1.3 Die Regelungsstruktur bei der Vigilanz
Im Abschnitt 2 von Kapitel VII MDR ist die Vigilanz in den Artikeln 87 bis 92 geregelt. In der IVDR befindet sich die Regelung ebenfalls im Abschnitt 2, dort in den Artikeln 82 bis 87.
Stellt der Hersteller ein schwerwiegendes Vorkommnis fest oder leitet eine Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld ein, muss er diese unverzüglich melden. Dieses gesondert geregelte Meldeverfahren bezeichnen die MDR und die IVDR als Vigilanz. Mit den Vigilanzregelungen der MDR bzw. IVDR werden die nachfolgenden Erwägungsgründe in Europäisches bzw. nationales Recht umgesetzt:
In Nr. 75 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 76 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist dazu ausgeführt:
„Zum besseren Schutz von Gesundheit und Sicherheit hinsichtlich auf dem Markt befindlicher Produkte sollte das elektronische System für die Vigilanz für Produkte wirksamer gestaltet werden, indem ein zentrales Portal auf Unionsebene eingerichtet wird, in dem schwerwiegende Vorkommnisse und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld gemeldet werden können.”
Diese Anforderungen werden mit Artikeln 33, 34 und 92 MDR bzw. 30 und 87 IVDR umgesetzt.
Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19.04.2010 (2010/227/EU die Einrichtung der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (Eudamed) auf den Weg gebracht. Allerdings ist die vollständige Nutzung immer noch nicht möglich. Nach Veröffentlichung der Verordnung (EU) 2024/1860 wird jetzt nicht mehr die vollständige Funktionsfähigkeit von Eudamed gefordert, sondern jedes Modul kann – nach entsprechender Veröffentlichung der Kommission im Amtsblatt – eigenständig als funktionsfähig erklärt werden und die Anforderungen müssen dann entsprechend der Übergangsvorschriften von Art. 123 umgesetzt werden.
Im nationalen Recht ist in § 86 MPDG ein Deutsches Medizinprodukteinformations- und Datensystem (DMIDS) geregelt, das voll funktionsfähig ist.
Solange Eudamed nicht vollständig funktioniert, wird in Deutschland über DMIDS gemeldet. Hierzu gibt es eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 97 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 MPDG zur Regelung des Übergangszeitraums bis zur vollen Funktionsfähigkeit der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte nach Artikel 33 MDR vom 26.05.2021 (BAnz AT 28.05.2021 B 6). In Nr. 76 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 77 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist weiterhin ausgeführt:
„Die Mitgliedstaaten sollten angemessene Maßnahmen ergreifen, um das Bewusstsein der Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten dafür zu schärfen, dass die Meldung der Vorkommnisse wichtig ist. Angehörige der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten sollten ermutigt und in die Lage versetzt werden, mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse auf nationaler Ebene unter Verwendung harmonisierter Formulare zu melden. Die zuständigen nationalen Behörden sollten die Hersteller über etwaige mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse informieren; bestätigt ein Hersteller, dass ein schwerwiegendes Vorkommnis aufgetreten ist, sollten die Behörden sicherstellen, dass die geeigneten Folgemaßnahmen ergriffen werden, damit ein Wiederauftreten derartiger Vorkommnisse so weit wie möglich verhindert wird.”
Deshalb ist in den oben bereits dargestellten Artikeln 87 Absatz 10 MDR, 82 Absatz 10 IVDR der Regelungsauftrag an die Nationalstaaten erfolgt. Um in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu schärfen und die Meldewege aufzuzeigen finden sich im 1. Abschnitt der § 5MPAMIV „Hinweise durch die Bundesoberbehörden”. Absatz 11 von Artikel 87 MDR regelt, dass die zuständigen Behörden den Hersteller bei mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen kontaktieren und um Stellungnahme zu bitten.
In Nr. 77 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 78 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist überdies ausgeführt:
„Die Bewertung gemeldeter schwerwiegender Vorkommnisse und von Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sollte auf nationaler Ebene erfolgen; sind ähnliche Vorkommnisse schon einmal aufgetreten oder müssen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld in mehreren Mitgliedstaaten ergriffen werden, so sollte eine Koordinierung sichergestellt sein, damit Ressourcen gemeinsam genutzt werden und ein einheitliches Vorgehen bei den Korrekturmaßnahmen gewährleistet ist.”
Die Umsetzung dieser grundlegenden Erwägungen erfolgt europarechtlich in Artikel 89 Abs. 3 MDR bzw. Artikel 84 Abs. 3 IVDR (Bewertung durch die Behörden) sowie in den §§ 71 bis 73 MPDG. Die Koordination zwischen den Mitgliedstaaten wird in Artikel 89 Abs 9 MDR bzw. 84 Absatz 9 IVDR geregelt. In Nr. 78 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 79 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist überdies ausgeführt:
„Bei der Prüfung von Vorkommnissen sollten die zuständigen Behörden gegebenenfalls die Informationen und Standpunkte der einschlägigen Interessenträger, wie etwa Patientenorganisationen, Verbände der Angehörigen von Gesundheitsberufen und Herstellerverbände, berücksichtigen.”
Diese grundlegenden Erwägungen sind nicht in der MDR/IVDR geregelt. Im MPDG findet sich in § 72 Abs 2 und. 3 die Anforderung, dass die zuständige Bundesoberbehörde im Rahmen der Risikobewertung mit „Betreibern, Anwendern, Händlern, Importeuren, Bevollmächtigten und Benannten Stellen” zusammenarbeitet und, dass sie „Einrichtungen, Stellen und Personen… beteiligen” kann. Darüber hinaus werden in der MPAMIV in § 14 „Routinesitzungen” Hinweise gegeben, dass die Bundesoberbehörde die genannten Organisationen bei „Abstimmungsbedarf zu speziellen Fragen …. zu einer Sondersitzung einladen” soll.
In Nr. 79 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 80 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist überdies ausgeführt:
„Die Meldung von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen oder Produktmängeln im Rahmen klinischer Prüfungen und die Meldung schwerwiegender Vorkommnisse, die nach Inverkehrbringen eines Produkts auftreten, sollten klar voneinander abgegrenzt werden, um Doppelmeldungen zu vermeiden.”
Um dies sicherzustellen, gibt es getrennte Melderegelungen für bei klinischen Prüfungen auftretenden unerwünschten Ereignissen in Artikel 80 MDR bzw. für bei Leistungsstudien auftretenden unerwünschten Ereignissen in Artikel 76 IVDR einerseits und für nach Inverkehrbringen schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld in Artikel 87 Absatz 1 MDR bzw. in Artikel 82 Absatz 1 IVDR
In Nr. 80 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 81 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist überdies ausgeführt:
„Diese Verordnung sollte Bestimmungen über die Marktüberwachung enthalten, mit denen die Rechte und Pflichten der zuständigen nationalen Behörden gestärkt werden, damit eine wirksame Koordinierung der Marktüberwachungstätigkeiten gewährleistet ist und die anzuwendenden Verfahren klar sind.”
Im 3. Abschnitt in den Artikeln 93 bis 100 MDR bzw. in den Artikeln 88 bis 95 IVDR ist die Marktüberwachung der zuständigen Behörden eingehend geregelt.
Im MPDG finden sich in den §§ 77 ff. Durchführungsvorschriften zur Überwachung, in der MPAMIV finden sich in Abschnitt 2 darüber hinaus Regelungen für die Bundesoberbehörde zur Unterrichtung anderer Stellen, dem Informationsaustausch mit den zuständigen (Landes-)Behörden und über die Veröffentlichung von Informationen.
In Nr. 81 der grundlegenden Erwägungen zur MDR bzw. in Nr. 82 der grundlegenden Erwägungen zur IVDR ist überdies ausgeführt:
„Jeder statistisch signifikante Anstieg der Anzahl oder des Schweregrads von Vorkommnissen, die nicht schwerwiegend sind oder von erwarteten Nebenwirkungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Nutzen-Risiko- Abwägung haben und zu unvertretbaren Risiken führen könnte, sollte den zuständigen Behörden gemeldet werden, damit diese eine Begutachtung vornehmen und geeignete Maßnahmen ergreifen können.”
Die Umsetzung erfolgt europarechtlich in Artikel 88 MDR bzw. in Artikel 83 IVDR, da es hierbei ausschließlich um Pflichten der Hersteller geht.
Im MPDG gibt es keine besondere Durchführungsvorschrift.
Da die MPAMIV hinsichtlich des Meldeverfahrens und der Behördentätigkeit Lücken in den Regelungen der MDR und des MPDG schließt, sind die einzelnen Vorschriften im Gesamtkontext zu sehen und auszulegen.
1.4 Kontext MPDG
Um dies im nationalen Recht umzusetzen, gibt es besondere Regelungen im Kapitel 5 der MPDG unter der Überschrift „Vigilanz und Überwachung” in den §§ 71 bis 82.
Nach § 71 Absatz 1 MPDG werden die Vigilanzaufgaben nach den Artikeln 87 bis 90 MDR bzw. Artikeln 82 bis 85 IVDR staatlicherseits von der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und für bestimmte IVD dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wahrgenommen. Es handelt sich um die zentrale Erfassung und Bewertung schwerwiegender Risiken, die möglichst in Zusammenarbeit mit dem Hersteller vorgenommen wird, § 72 Absatz 1 MPDG.
Mit dem Gültigkeitsbeginn der IVDR am 26.05.2022 erweiterte sich die Zuständigkeit des PEI auf alle Produkte, die unter die Klassifizierungsregeln 1, 2 und 3 Buchstabe a bis e und g des Anhangs VIII der IVDR fallen, § 85 Absatz 3 Nr. 1 MPDG. Dabei handelt es sich um alle Produkte der Klasse D (lebensbedrohliche Infektionen, übertragbare Erreger durch Blut und Gewebe) und einen Teil der Produkte der Klasse C (z. B. sexuell übertragbare Erreger).
In § 72 MPDG ist in Absatz 2 geregelt, dass die zuständige Bundesoberbehörde, soweit dies jeweils erforderlich ist, mit den jeweils betroffenen Betreibern, Anwendern, Händlern, Importeuren und Bevollmächtigten und Benannten Stellen zusammenarbeitet und nach § 72 Absatz 3 MPDG kann die zuständige Bundesoberbehörde sonstige Behörden, Einrichtungen, Stellen und Personen, die auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen zur Beantwortung spezifischer Fragestellungen beitragen können, beteiligen.
Der in § 72 Absatz 2 MPDG erwähnte Personenkreis ist zur Auskunftserteilung und Herausgabe der Unterlagen sowie zur Überlassung der betroffenen Produkte usw. nach § 72 Absatz 4 MPDG verpflichtet. Deshalb dürfen auch nach § 72 Absatz 5 MPDG Anwender und Betreiber die betroffenen Produkte und Probematerialien nicht verwerfen.
Nach § 73 Absatz 1 MPDG hat der betroffene Hersteller im Rahmen der Sicherheitskorrekturmaßnahmen die Sicherheitsanweisungen in deutscher Sprache zu verfassen und nach Absatz 2 die Durchführung der Sicherheitskorrekturmaßnahmen zu dokumentieren und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Der Abschluss einer Sicherheitskorrekturmaßnahme ist der zuständigen Behörde und der Bundesoberbehörde mitzuteilen.
Nach § 74 MPDG hat die zuständige Bundesoberbehörde für den Fall eines unvertretbaren Risikos bei Gefahr im Verzug alle Maßnahmen zu treffen, die zum Schutz oder Sicherheit von Patienten, Anwendern oder anderen Personen erforderlich sind. Das Verfahre ist in § 74 MPDG eingehend ausgeregelt.
In §§ 77, 79, 80 MPDG ist die Überwachung durch die zuständige Behörde ähnlich dem § 26 MPG, allerdings deutlich ausführlicher, geregelt.
In § 78 MPDG sind ähnlich dem § 28 MPG Anordnungsbefugnisse und Informationspflichten der zuständigen Behörde im Rahmen der Überwachung zu finden.
Die Meldepflichten der Importeure und Händler bestehen nach § 81 MPDG
1. | im Fall der Annahme einer von dem Produkt ausgehenden schwerwiegenden Gefahr gegenüber der zuständigen Bundesoberbehörde über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem (DIMDS) nach § 86 MPDG, |
2. | im Fall der Annahme, dass es sich um ein gefälschtes Produkt handelt, jeweils die für den Sitz des Händlers oder des Importeurs zuständigen Behörde. |
2 Ermächtigungsgrundlage
Die Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden (Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung – MPAMIV) ist § 88 Absatz 1 Nr. 7 MPDG.
§ 88 Absatz 1 Nr. 7 MPDG gibt der Exekutive das Recht, Regelungen zu treffen über
a) | das Verfahren für Meldungen von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen der Angehörigen der Gesundheitsberufe, der Anwender, Betreiber und Patienten, einschließlich der Meldewege und Meldefristen, der Melde-, Berichts-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Mitwirkungspflichten, |
b) | die Unterrichtungs- und Informationspflichten, den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder im Zusammenhang mit Meldungen über schwerwiegende Vorkommnisse, mutmaßlich schwerwiegende Vorkommnisse, Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld und von sonstigen Erkenntnissen über Sicherheitsmängel von Produkten, einschließlich der Informationsmittel und -wege sowie Informationen zur Erreichbarkeit der zuständigen Behörden im Vigilanzbereich und |
c) | die Verarbeitung und den Zugang zu personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnis, einem schwerwiegenden Vorkommnis oder einem unerwünschten Ereignis, soweit dies für die Risikobewertung und Gefahrenabwehr durch die zuständigen Behörden erforderlich ist. |
3 Normadressaten
Die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung richtet sich im Gesamtkontext der Artikel 83 ff. MDR / Artikel 78 ff. IVDR und der §§ 71 ff. MPDG als zusätzliche Rechtsvorschrift zur Meldung über „mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse” an alle relevanten Akteure und regelt die Meldepflicht der Akteure und den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden. Dabei geht es um Anforderungen der MPAMIV an
a) | die Betreiber | ||||||||||||||||
b) | die Anwender | ||||||||||||||||
c) | die Ärzte und Zahnärzte
| ||||||||||||||||
d) | die Hersteller
| ||||||||||||||||
e) | die Behörden und das Bundesministerium für Gesundheit
| ||||||||||||||||
f) | sonstige Personen
|
Inhaltlich behandelt die Verordnung den Anwendungsbereich, das Meldeverfahren, Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden sowie die Veröffentlichung und gliedert sich wie folgt in zwei Abschnitte:
4.1 Abschnitt 1 „Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen”
Dieser erste Abschnitt der Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung umfasst sieben Paragrafen und gilt für alle Medizinprodukte – aktive implantierbare medizinische Geräte, In-vitro-Diagnostika, „sonstige” Medizinprodukte.
§ 1 MPAMIV legt den Anwendungsbereich fest. Dieser stellt sich wie folgt dar:
• | Die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung ist anzuwenden auf alle Produkte im Anwendungsbereich der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR). |
• | Die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung ist überdies anzuwenden auf alle Produkte im Anwendungsbereich der EU-In-vitro-Diagnostikaverordnung (IVDR). |
§ 2 MPAMIV definiert in Ergänzung zu Artikel 2 Nr. 64 und 65 der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und in Ergänzung zu Artikel 2 Nr. XX und YY der EU-In-vitro-Diagnostikaverordnung (IVDR) im Sinne dieser Verordnung den Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis”.
§ 3 MPAMIV bestimmt die unverzügliche Meldepflicht von Personen, die Produkte beruflich oder gewerblich betreiben oder anwenden bei aufgetretenen mutmaßlich schwerwiegenden Vorkommnissen. Dies gilt auch für Ärzte und Zahnärzte, denen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden.
§ 4 MPAMIV regelt, dass Patienten oder deren Angehörigen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse mit Produkten, von denen sie betroffen sind, den behandelnden Arzt oder Zahnarzt oder den Händler, der das Produkt bereitgestellt hat, informieren sollen. Patienten oder deren Angehörigen können mutmaßlich schwerwiegende Vorkommnisse auch der zuständigen Bundesoberbehörde direkt melden.
§ 5 MPAMIV bestimmt Hinweise durch die Bundesoberbehörden. Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 MPAMIV und fördern durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.
§ 6 MPAMIV legt fest, dass die Meldungen nach § 3 zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem (DMIDS) nach § 86 MPDG erfolgen. Die Meldungen nach § 4 Satz 2 können ebenfalls über das DMIDS erfasst werden, wenn nicht, stellt die zuständige Bundesoberbehörde sicher, dass die Meldungen nach § 4 Satz 2 im DMIDS nach § 86 MPDG erfasst werden.
§ 7 MPAMIV enthält ergänzende Verfahrensregelungen. Nach Absatz 1 bestätigt die zuständige Bundesoberbehörde den nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen den Eingang der Meldung. In Absatz 2 ist festgehalten, dass unabhängig von der unverzüglichen Einleitung des Verfahrens nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 MDR oder Artikel 82 Absatz 11 IVDR die zuständige Bundesoberbehörde prüft, ob unmittelbar Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr besteht. Eine nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 MDR oder Artikel 82 Absatz 11 IVDR notwendige Begründung wird vom Hersteller über das DMIDS nach § 86 MPDG innerhalb von 15 Tagen vorgelegt, so Unterabsatz 3. Sofern die zuständige Bundesoberbehörde mit der nach Absatz 3 Satz 1 vom Hersteller vorgelegten Begründung übereinstimmt, informiert sie die nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen darüber und teilt diesen die Begründung des Herstellers mit, so Unterabsatz 4. Nach Eingang der nach Absatz 3 Satz 2 von der zuständigen Bundesoberbehörde verlangten Meldung nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 MDR oder Artikel 82 Absatz 11 IVDR findet das Verfahren nach den §§ 71 bis 74 MPDG Anwendung, so Unterabsatz 5. Die zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis ihrer abschließenden Risikobewertung der nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Person oder Stelle mit, dabei den meldenden Ärzten und Zahnärzten in laienverständlicher Weise. Die abschließende Risikobewertung beinhaltet, soweit bereits vorhanden, eine Bewertung des Abschlussberichts des Herstellers nach Artikel 89 Absatz 5 MDR oder Artikel 84 Absatz 5 IVDR oder eine Bewertung der vom Hersteller nach Absatz 3 Satz 1 vorgelegten Begründung.
4.2 Abschnitt 2 „Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden; Veröffentlichung”
Dieser zweite Abschnitt der Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung umfasst sieben Paragrafen und regelt Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch der zuständigen Behörden sowie Veröffentlichungspflichten.
§ 8 MPAMIV regelt, dass die zuständige Bundesoberbehörde über DMIDS nach § 86 MPDG die zuständigen Landesbehörden im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 oder im Sinne von Satz 2 über eingehende Meldungen nach § 3 oder § 4 Satz 2 sowie über den Ab-schluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertung, einschließlich angeordneter Maßnahmen zu informieren hat.
§ 9 MPAMIV bestimmt, dass die zuständige Bundesoberbehörde das Bundesministerium für Gesundheit über alle eingehenden Meldungen, die schwerwiegende Vorkomm-nisse mit Todesfolge oder sonstige besonders bedeutsame schwerwiegende Vorkommnisse betreffen unverzüglich informiert.
§ 10 MPAMIV legt in Absatz 1 fest, dass die zuständige Bundesoberbehörde
1. | das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie das Bundesamt für Strahlenschutz ist, soweit Fragen des Schutzes vor ionisierender oder nichtionisierender Strahlung betroffen oder Medizinprodukte betroffen sind, bei deren Herstellung radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlen verwendet werden, und |
2. | das Robert Koch-Institut ist, soweit Produkte betroffen sind, die zu Desinfektionszwecken bestimmt sind. |
über eingehenden Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen, Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, schwerwiegenden Gefahren und mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen unterrichtet
Nach Absatz 2 unterrichtet die zuständige Bundesoberbehörde das Bundesministerium der Verteidigung und die für Benannte Stellen zuständige Behörde über eingehende Meldungen von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die betroffene Benannte Stelle, sofern diese ihren Sitz im Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung hat, über Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld sowie über den Abschluss und das Ergebnis der durchgeführten Risikobewertungen, einschließlich angeordneter Maßnahmen. Die Unterrichtung kann auch durch Gewährung des Zugriffs auf Daten erfolgen, die im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes gespeichert sind.
§ 11 MPAMIV regelt, dass beim Informationsaustausch nach den § 8 und bei der Unterrichtung nach §§ 9 und 10 nur anonymisierte Daten übermittelt werden dürfen. Soweit dies zur Aufgabenerfüllung der in den §§ 8 bis 10 genannten Stellen erforderlich ist, dürfen unter den in § 86 Absatz 7 MPDG genannten Voraussetzungen personenbezogene Daten ausnahmsweise in pseudonymisierter Form übermittelt und verarbeitet werden.
§ 12 MPAMIV legt fest, dass die zuständigen Bundesoberbehörden unter Angabe ihrer Zuständigkeitsbereiche, ihrer Postanschriften und der Telekommunikationsnummer die Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Dienstzeiten von für die Risikoerfassung und -bewertung bei ihnen zuständigen Organisationseinheiten auf ihren Internetzeiten ebenso bekannt geben wie die Angaben zur Erreichbarkeit der zuständigen Behörden außerhalb der Dienstzeiten.
§ 13 MPAMIV bestimmt, dass die zuständigen Bundesoberbehörde über durchgeführte Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, einschließlich der Sicherheitsanweisungen im Feld, sowie über Empfehlungen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung nach § 71 Absatz 7 MPDG auf ihrer Internetseite unter Beachtung des Daten-schutzes informieren.
§ 14 MPAMIV regelt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut regelmäßige Besprechungen (Routinesitzungen) über die Grundlagen und das Verfahren der Risikoerfassung und -bewertung sowie über Fälle von allgemeinem Interesse durchführt. Bei Abstimmungsbedarf zu speziellen Fragen soll die zuständige Bundesoberbehörde zu einer Sondersitzung einladen. Die Gelegenheit zur Teilnahme an den Routinesitzungen erhalten die für Medizinprodukte zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden sowie die für Benannte Stellen zuständige Behörde. Soweit erforderlich können der Medizinische Dienst Bund, Vertreter der Heilberufe und der Krankenhäuser, die Verbände der Medizinprodukteindustrie sowie sonstige betroffene Behörden und Organisationen beteiligt werden.
Quellen
1
Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1; L 117 vom 03.05.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165.), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.04.2020, S. 18) geändert worden ist.
2
Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 176; L 117 vom 03.05.2019, S. 11; 334 vom 27.12.2019, S. 167).
3
Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung – MPSV) vom 24.06.2002
4
BGH Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 191/79 „Apfelschorf I-Fall”, Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 286/78 „Apfelschorf II-Fall”.
5
Bremenkamp/Bremenkamp, § 9 Produkthaftung / 4. Pflichten aus dem Produktbeobachtungsbereich, insbesondere Warn- und Rückrufpflichten, Randzeichen 31-38, in: Deutsches Anwalt Office Premium.
6
BGH NJW 1987, 1009 – Honda.
7
Helmig, Marktbeobachtungspflicht für Hersteller und Händler unter dem GPSG – Bedeutung und Folgen für die Praxis, in: PHi 4/2005, S. 140–145.
8
BGBl. I 2021, S. 1346, 1347.
9
Verordnung – 2019/1020 – EN – EUR-Lex bzw. Amtsblatt der Europäischen Union vom 25.06.2019 – L 169/1.
10
BGBl. I 2021, S. 1723.