04036 § 29 MPG: Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem
Das MPG wurde mit dem Geltungsbeginn der MDR aufgehoben. Allerdings hat es noch so lange Bedeutung, wie die sogenannten Legacy Devices verkehrsfähig sind. Denn die Legacy Devices entsprechen noch den alten Richtlinien 90/385/EWG oder 93/42/EWG und das MPG beinhaltet die nationalen Regeln für die Umsetzung der Richtlinien (s. Kap. 02120, 2.13). Deshalb stellen wir Ihnen die Kommentierung des MPG auch weiterhin in diesem Werk zur Verfügung. [1]
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§ 29 Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde hat, soweit nicht eine oberste Bundesbehörde im Vollzug des Atomgesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zuständig ist, zur Verhütung einer Gefährdung der Gesundheit oder der Sicherheit von Patienten, Anwendern oder Dritten die bei der Anwendung oder Verwendung von Medizinprodukten auftretenden Risiken, insbesondere Nebenwirkungen, wechselseitige Beeinflussung mit anderen Stoffen oder Produkten, Gegenanzeigen, Verfälschungen, Funktionsfehler, Fehlfunktionen und technische Mängel zentral zu erfassen, auszuwerten und zu bewerten. Sie hat die zu ergreifenden Maßnahmen zu koordinieren, insbesondere soweit sie alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse während klinischer Prüfungen oder Leistungsbewertungsprüfungen von In-vitro-Diagnostika oder folgende Vorkommnisse betreffen:
1. jede Funktionsstörung, jeden Ausfall oder jede Änderung der Merkmale oder der Leistung eines Medizinproduktes sowie jede Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung, die direkt oder indirekt zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Patienten oder eines Anwenders oder einer anderen Person geführt haben oder hätten führen können,
2. jeden Grund technischer oder medizinischer Art, der auf Grund der in Nummer 1 genannten Ursachen durch die Merkmale und die Leistungen eines Medizinprodukts bedingt ist und zum systematischen Rückruf von Medizinprodukten desselben Typs durch den Hersteller geführt hat.
§ 26 Abs. 2 Satz 3 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis der Bewertung der zuständigen Behörde mit, die über notwendige Maßnahmen entscheidet. Die zuständige Bundesoberbehörde übermittelt Daten aus der Beobachtung, Sammlung, Auswertung und Bewertung von Risiken in Verbindung mit Medizinprodukten an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information zur zentralen Verarbeitung und Nutzung nach § 33. Näheres regelt die Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 8.
(2) Soweit dies zur Erfüllung der in Absatz 1 aufgeführten Aufgaben erforderlich ist, dürfen an die danach zuständigen Behörden auch Name, Anschrift und Geburtsdatum von Patienten, Anwendern oder Dritten übermittelt werden. Die nach Absatz 1 zuständige Behörde darf die nach Landesrecht zuständige Behörde auf Ersuchen über die von ihr gemeldeten Fälle und die festgestellten Erkenntnisse in Bezug auf personenbezogene Daten unterrichten. Bei der Zusammenarbeit nach Absatz 3 dürfen keine personenbezogenen Daten von Patienten übermittelt werden. Satz 3 gilt auch für die Übermittlung von Daten an das Informationssystem nach § 33.
(3) Die Behörde nach Absatz 1 wirkt bei der Erfüllung der dort genannten Aufgaben mit den Dienststellen der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der Weltgesundheitsorganisation, den für die Gesundheit und den Arbeitsschutz zuständigen Behörden anderer Staaten, den für die Gesundheit, den Arbeitsschutz, den Strahlenschutz und das Mess- und Eichwesen zuständigen Behörden der Länder und den anderen fachlich berührten Bundesoberbehörden, Benannten Stellen in Deutschland, den zuständigen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, dem Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, den einschlägigen Fachgesellschaften, den Herstellern und Vertreibern sowie mit anderen Stellen zusammen, die bei der Durchführung ihrer Aufgaben Risiken von Medizinprodukten erfassen. Besteht der Verdacht, dass ein Zwischenfall durch eine elektromagnetische Einwirkung eines anderen Gerätes als ein Medizinprodukt verursacht wurde, ist das Bundesamt für Post und Telekommunikation zu beteiligen.
(4) Einzelheiten zur Durchführung der Aufgaben nach § 29 regelt der Sicherheitsplan nach § 37 Abs. 7. |
1 Einleitung
Das Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem – häufig auch als Medizinprodukte-Vigilanzsystem bezeichnet –, dient der Erkennung und Abwehr von Risiken sowohl während der Durchführung klinischer Prüfungen / Leistungsbewertungsprüfungen als auch bei bereits in Verkehr gebrachten Medizinprodukten und kann bezüglich letzteren als eine besondere Form der Marktkontrolle angesehen werden. Es soll sicherstellen, dass von im Verkehr und / oder in Betrieb befindlicher fehlerhaften Medizinprodukten – letzteres umfasst auch die Produkte in klinischen Prüfungen / Leistungsbewertungsprüfungen – schwerwiegende Risiken ordnungsgemäß erfasst, ggf. gemeldet, bewertet und beseitigt oder minimiert werden. Für Medizinprodukte, die die CE-Kennzeichnung tragen, ergänzt es insoweit die Konformitätsbewertung vor dem Inverkehrbringen sowie die allgemeine behördliche Marktüberwachung.
Dem Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem liegt – neben der Erfassung und Bewertung von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen während klinischer Prüfungen und Leistungsbewertungsprüfungen mit In-vitro Diagnostika – für Medizinprodukte, die die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, die grundsätzliche Überlegung zugrunde, dass die vor dem Inverkehrbringen durchgeführten klinischen und sonstigen Prüfungen und Bewertungen ergänzt werden müssen um ein systematisches Erfassen und Bewerten von möglichen Problemen, die erst bei einer breiteren Anwendung festgestellt werden und ggf. korrektive Maßnahmen erfordern. Die Rationale entspricht somit den grundsätzlichen Überlegungen, die auch der Pharmakovigilanz zugrunde liegen.
Hauptsächliche Zielsetzung des Systems ist der Schutz von Probanden, Patienten, Anwendern und sonstigen Personen vor unvertretbaren Gefährdungen durch Medizinprodukte. Diesem Ziel soll zunächst durch eine sorgfältige Untersuchung aufgetretener Probleme und ein effektives Risikomanagement – Beseitigung oder Minimierung des Risikos – im jeweiligen Einzelfall Rechnung getragen werden. Darüber hinaus sollen durch den Austausch geeigneter Informationen hinsichtlich in Verkehr gebrachter Medizinprodukte die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, das Wiederauftreten vergleichbarer Probleme bei vergleichbaren Produkten auch anderer Hersteller möglichst zu verhindern.