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02087 Artikel 87 MDR: Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld

Artikel 87 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR) regelt wann, wie und in welchem zeitlichen Rahmen die Hersteller Meldungen zu schwerwiegenden Vorkommnissen sowie Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld an die zuständige Behörde zu tätigen haben.
Des Weiteren wird hier festgelegt, wie die zuständige Behörde mit Meldungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwendern oder Patienten über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse umzugehen hat und welche Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen Behörde und Hersteller in diesem Fall bestehen.
von:
Artikel 87 MDR
(1) Hersteller von Produkten, die auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden, ausgenommen Prüfprodukte, melden den relevanten zuständigen Behörden gemäß Artikel 92 Absätze 5 und 7 Folgendes:
a)
Jedes schwerwiegende Vorkommnis im Zusammenhang mit Produkten, die auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden, außer erwarteter Nebenwirkungen, die in den Produktinformationen eindeutig dokumentiert, in der technischen Dokumentation quantifiziert und Gegenstand der Meldung von Trends gemäß Artikel 88 sind;
b)
jede Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld im Zusammenhang mit auf dem Unionsmarkt bereitgestellten Produkten, einschließlich der in Drittländern ergriffenen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld in Bezug auf ein Produkt, das auch auf dem Unionsmarkt legal bereitgestellt wird, sofern sich der Grund für die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld nicht ausschließlich auf das Produkt beziehen, das in dem betreffenden Drittland bereitgestellt wird.
Die in Unterabsatz 1 genannten Meldungen werden über das in Artikel 92 genannte elektronische System eingereicht.
(2) Generell hängt die Frist, innerhalb deren die Meldung gemäß Absatz 1 zu erfolgen hat, von der Schwere des schwerwiegenden Vorkommnisses ab.
(3) Die Hersteller melden jedes schwerwiegende Vorkommnis im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a unverzüglich, nachdem sie einen Kausalzusammenhang oder einen durchaus möglichen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorkommnis und ihrem Produkt festgestellt haben, spätestens jedoch 15 Tage, nachdem sie Kenntnis von dem Vorkommnis erhalten haben.
(4) Ungeachtet des Absatzes 3 erfolgt im Falle einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit die Meldung gemäß Absatz 1 unverzüglich, spätestens jedoch zwei Tage, nachdem der Hersteller Kenntnis von dieser Gefahr erhalten hat.
(5) Ungeachtet des Absatzes 3 erfolgt im Falle des Todes oder einer unvorhergesehenen schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person die Meldung unverzüglich, nachdem der Hersteller einen Kausalzusammenhang zwischen dem Produkt und dem schwerwiegenden Vorkommnis festgestellt hat oder sobald er einen solchen Zusammenhang vermutet, spätestens jedoch zehn Tage, nachdem er Kenntnis von dem schwerwiegenden Vorkommnis erhalten hat.
(6) Ist dies notwendig, um eine zügige Meldung sicherzustellen, kann der Hersteller zunächst eine vorläufige Meldung übermitteln und dieser dann die vollständige Meldung folgen lassen.
(7) Ist der Hersteller, nachdem er Kenntnis von einem möglicherweise zu meldenden Vorkommnis erhalten hat, unsicher, ob das Vorkommnis zu melden ist, so übermittelt er gleichwohl innerhalb der gemäß den Absätzen 2 bis 5 vorgeschriebenen Frist eine Meldung.
(8) Außer in dringenden Fällen, in denen der Hersteller unverzüglich eine Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld ergreifen muss, meldet der Hersteller ohne ungebührliche Verzögerung die Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld gemäß Absatz 1 Buchstabe b, bevor er die Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld ergreift.
(9) Bei ähnlichen schwerwiegenden Vorkommnissen im Zusammenhang mit ein und demselben Produkt oder ein und derselben Produktart, deren Ursache bereits festgestellt wurde oder in Bezug auf die bereits eine Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld ergriffen wurde oder die häufig auftreten und gut dokumentiert sind, kann der Hersteller mittels periodischer Sammelmeldungen anstelle von Einzelmeldungen schwerwiegende Vorkommnisse mitteilen, sofern die koordinierende zuständige Behörde gemäß Artikel 89 Absatz 9 in Abstimmung mit den in Artikel 92 Absatz 8 Buchstabe a genannten zuständigen Behörden sich mit dem Hersteller auf Form, Inhalt und Häufigkeit dieser periodischen Sammelmeldung geeinigt hat. Wird in Artikel 92 Absatz 8 Buchstaben a und b nur eine einzige zuständige Behörde genannt, so kann der Hersteller nach Einigung mit dieser betreffenden zuständigen Behörde periodische Sammelmeldungen vorlegen.
(10) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Organisation gezielter Informationskampagnen, um die Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten dazu zu ermutigen und ihnen zu ermöglichen, den zuständigen Behörden mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse gemäß Absatz 1 Buchstabe a zu melden.
Die zuständigen Behörden zeichnen die Meldungen, die sie von Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwendern und Patienten erhalten, zentral auf nationaler Ebene auf.
(11) Gehen bei der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats Meldungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwendern oder Patienten über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse gemäß Absatz 1 Buchstabe a ein, unternimmt diese die notwendigen Schritte, um eine unverzügliche Unterrichtung des Herstellers über diese mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnisse sicherzustellen.
Ist der Hersteller des betreffenden Produkts der Auffassung, dass es sich bei dem Vorkommnis um ein schwerwiegendes Vorkommnis handelt, so meldet er gemäß den Absätzen 1 bis 5 des vorliegenden Artikels dieses schwerwiegende Vorkommnis der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem dieses schwerwiegende Vorkommnis aufgetreten ist, und ergreift die geeigneten Folgemaßnahmen gemäß Artikel 89.
Ist der Hersteller des betreffenden Produkts der Auffassung, dass es sich bei dem Vorkommnis nicht um ein schwerwiegendes Vorkommnis handelt oder dass es sich um eine erwartete unerwünschte Nebenwirkung handelt, die in der Meldung von Trends gemäß Artikel 88 enthalten sein wird, handelt, so legt er eine Begründung vor. Stimmt die zuständige Behörde nicht mit der Schlussfolgerung der Begründung überein, so kann sie von dem Hersteller verlangen, dass er eine Meldung gemäß den Absätzen 1 bis 5 des vorliegenden Artikels vorlegt und sicherstellt, dass geeignete Folgemaßnahmen gemäß Artikel 89 ergriffen werden.
Konsolidierte MDR-Version vom 24.04.2020

1 Einleitung

Deutlich klarere Regelungen
Die Anforderungen an die Meldungen, die der Hersteller im Fall der Kenntnisnahme von einem schwerwiegenden Vorkommnis oder im Fall einer Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld zu tätigen hat, sind in Artikel 87 MDR deutlich klarer dargelegt, als es in den Medizinprodukte-Richtlinien 93/42/EWG und 90/385/EWG der Fall war.
Für die deutschen Hersteller ist der erhöhte Detaillierungsgrad der Regelungen jedoch sehr wohl altbekannt, denn vieles, was nun in der Verordnung festgelegt ist, war in Deutschland bereits über die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) zum MPG in etwas anderer Form geregelt. Für alle Hersteller in der EU gab es zur Erläuterung ergänzend die Leitlinie MEDDEV 2 12-1 „Guideline on a medical devices vigilance system”.
Details beachten
In der vorliegenden MDR gilt es die Details zu beachten: so ist zum Beispiel der Begriff „Vorkommnis” nun in der speziellen Bedeutung durch „schwerwiegendes Vorkommnis” ersetzt worden und die in Deutschland bereits gesetzlich geregelten Meldefristen sind ebenfalls angepasst worden. Insgesamt ist in diesem Artikel der MDR und auch im MDCG 2023-3 (Fragen und Antworten zu Vigilanz-Begriffen und Konzepten) sehr vieles an Inhalten aus der damaligen MEDDEV-Leitlinie übernommen worden.
Neue Anforderung an Behörden
Es wurde zudem eine neue Anforderung an die zuständigen Behörden aufgenommen worden, und zwar, dass diese aktiv die Angehörigen der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten dazu ermutigen sollen, mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse an die Behörden zu melden.
Ergänzend dazu wird beschrieben wie in diesem Fall die Kommunikation/Zusammenarbeit mit dem Hersteller vonseiten der Behörden erfolgen soll. Für Deutschland sei an dieser Stelle auf die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung – MPAMIV (Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden) hingewiesen, die es bereits gibt (s. Kap. B0209).

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