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02052 Artikel 52 MDR: Konformitätsbewertungsverfahren

Kapitel V der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR) legt in Abschnitt 2 die Regelungen für die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten fest. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den gesetzgeberischen Hintergrund, die Grundlagen der Konformitätsbewertungsverfahren und die Struktur der Regelungen in der MDR sowie die in der MDR zur Wahl stehenden Verfahren und ihre Anwendbarkeit auf die unterschiedlichen Produktklassen und Kategorien. Verfahrenstechnische Details werden in den entsprechenden Kommentierungen zu den Anhängen beschrieben.
von:
Artikel 52 MDR
(1)
Bevor Hersteller ein Produkt in Verkehr bringen, führen sie eine Bewertung der Konformität des betreffenden Produkts im Einklang mit den in den Anhängen IX bis XI aufgeführten geltenden Konformitätsbewertungsverfahren durch.
(2)
Bevor Hersteller ein nicht in Verkehr gebrachtes Produkt in Betrieb nehmen, führen sie eine Bewertung der Konformität des betreffenden Produkts im Einklang mit den in den Anhängen IX bis XI aufgeführten geltenden Konformitätsbewertungsverfahren durch.
(3)
Hersteller von Produkten der Klasse III, ausgenommen Sonderanfertigungen oder Prüfprodukte, unterliegen einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang IX. Alternativ können die Hersteller sich für eine Konformitätsbewertung gemäß Anhang X in Kombination mit einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang XI entscheiden.
(4)
Hersteller von Produkten der Klasse IIb, ausgenommen Sonderanfertigungen oder Prüfprodukte, unterliegen einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang IX Kapitel I und III sowie einer Bewertung der technischen Dokumentation – gemäß Abschnitt 4 des genannten Anhangs – zumindest eines repräsentativen Produkts pro generischer Produktgruppe.
Bei Implantierbaren Produkten der Klasse IIb mit Ausnahme von Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keilen, Zahn- bzw. Knochenplatten, Drähten, Stiften, Klammern und Verbindungsstücken wird die Bewertung der technischen Dokumentation gemäß Anhang IX Abschnitt 4 jedoch für jedes Produkt vorgenommen.
Alternativ können die Hersteller sich für eine Konformitätsbewertung gemäß Anhang X in Kombination mit einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang XI entscheiden.
(5)
In Fällen, in denen dies mit Blick auf bewährte Technologien gerechtfertigt ist, die denjenigen ähneln, die in den in Absatz 4 Unterabsatz 2 des vorliegenden Artikels aufgelisteten ausgenommenen Produkten verwendet werden, die wiederum in anderen implantierbaren Produkten der Klasse IIb verwendet werden, oder in Fällen, in denen dies gerechtfertigt ist, um den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Patienten, Anwender oder anderer Personen oder anderer Aspekte der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 115 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um diese Liste durch Hinzufügung anderer Arten implantierbarer Produkte der Klasse IIb oder Streichung von Produkten anzupassen.
(6)
Hersteller von Produkten der Klasse IIa, ausgenommen Sonderanfertigungen oder Prüfprodukte, unterliegen einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang IX Kapitel I und III sowie einer Bewertung der technischen Dokumentation – gemäß Abschnitt 4 jenes Anhangs – zumindest eines repräsentativen Produkts jeder Produktkategorie.
Alternativ können die Hersteller sich dafür entscheiden, die in den Anhängen II und III genannte technische Dokumentation zu erstellen, in Kombination mit einer Konformitätsbewertung gemäß Anhang XI Abschnitt 10 oder Abschnitt 18. Die Bewertung der technischen Dokumentation wird für zumindest eines repräsentativen Produkts jeder Produktkategorie durchgeführt.
(7)
Hersteller von Produkten der Klasse I, ausgenommen Sonderanfertigungen oder Prüfprodukte, erklären die Konformität ihrer Produkte durch Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung gemäß Artikel 19, nachdem sie die technische Dokumentation gemäß den Anhängen II und III erstellt haben. Bei Produkten, die in sterilem Zustand in den Verkehr gebracht werden, bei Produkten mit Messfunktion oder bei Produkten, bei denen es sich um wiederverwendbare chirurgische Instrumente handelt, wendet der Hersteller die in Anhang IX Kapitel I und III oder in Anhang XI Teil A aufgeführten Verfahren an. Die Beteiligung der Benannten Stelle an diesen Verfahren ist jedoch begrenzt
a) bei Produkten, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden, auf die Aspekte, die mit der Herstellung, der Sicherung und der Aufrechterhaltung steriler Bedingungen zusammenhängen,
b) bei Produkten mit Messfunktion auf die Aspekte, die mit der Konformität der Produkte mit den messtechnischen Anforderungen zusammenhängen,
c) bei wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten auf die Aspekte, die mit der Wiederverwendung in Zusammenhang stehen, insbesondere die Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Wartung und Funktionsprüfung sowie die damit verbundenen Gebrauchsanweisungen.
(8)
Bei Sonderanfertigungen wenden die Hersteller das Verfahren gemäß Anhang XIII an und stellen vor dem Inverkehrbringen dieser Produkte die Erklärung gemäß Abschnitt 1 des genannten Anhangs aus.
Zusätzlich zu dem gemäß Unterabsatz 1 anzuwendenden Verfahren sind Hersteller von implantierbaren Sonderanfertigungen der Klasse III auch dem Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Anhang IX Kapitel I unterworfen. Alternativ dazu können die Hersteller sich für eine Konformitätsbewertung gemäß Anhang XI Teil A entscheiden.
(9)
Bei Produkten gemäß Artikel 1 Absatz 8 Unterabsatz 1 gilt zusätzlich zu den geltenden Verfahren gemäß den Absätzen 3, 4, 6 oder 7 des vorliegenden Artikels auch das Verfahren gemäß Anhang IX Abschnitt 5.2 bzw. gemäß Anhang X Abschnitt 6.
(10)
Bei Produkten, die gemäß Artikel 1 Absatz 6 Buchstaben f oder g und gemäß Artikel 1 Unterabsatz 1 Absatz 10 von dieser Verordnung erfasst werden, gilt zusätzlich zu den geltenden Verfahren gemäß den Absätzen 3, 4, 6 oder 7 des vorliegenden Artikels auch das Verfahren gemäß Anhang IX Abschnitt 5.3 bzw. gemäß Anhang X Abschnitt 6.
(11)
Bei Produkten, die aus Stoffen oder aus Kombinationen von Stoffen bestehen, die dazu bestimmt sind, durch eine Körperöffnung in den menschlichen Körper eingeführt oder auf der Haut angewendet zu werden, und die vom menschlichen Körper aufgenommen oder lokal im Körper verteilt werden, gilt zusätzlich zu den geltenden Verfahren gemäß den Absätzen 3, 4, 6 oder 7 auch das Verfahren gemäß Anhang IX Abschnitt 5.4 bzw. gemäß Anhang X Abschnitt 6.
(12)
Der Mitgliedstaat, in dem die Benannte Stelle niedergelassen ist, kann verlangen, dass alle oder bestimmte Unterlagen, darunter die technische Dokumentation, Audit-, Bewertungs- und Kontrollberichte, im Zusammenhang mit den in den Absätzen 1 bis 7 und 9 bis 11 genannten Verfahren in einer oder mehreren von diesem Mitgliedstaat festgelegten Amtssprachen der Union bereitgestellt werden. Wird dies nicht verlangt, so müssen diese Unterlagen in einer Amtssprache der Union vorliegen, mit der die Benannte Stelle einverstanden ist.
(13)
Für Prüfprodukte gelten die Anforderungen gemäß Artikel 62 bis 81.
(14)
Für folgende Aspekte kann die Kommission detaillierte Vorkehrungen und Verfahrenselemente, die für die harmonisierte Anwendung der Konformitätsbewertungsverfahren durch die Benannten Stellen erforderlich sind, im Wege von Durchführungsrechtsakten festlegen:
a) Häufigkeit und Grundlage der Stichproben bei der Bewertung der technischen Dokumentation auf repräsentativer Basis gemäß Anhang IX Abschnitt 2.3 Absatz 3 und Abschnitt 3.5 (bei Produkten der Klassen IIa und IIb) bzw. gemäß Anhang IX Teil A Abschnitt 10.2 (bei Produkten der Klasse IIa);
b) Mindesthäufigkeit der von den Benannten Stellen gemäß Anhang IX Abschnitt 3.4 unter Berücksichtigung der Risikoklasse und der Art der Produkte durchzuführenden unangekündigten Vor-Ort-Audits und Stichprobenprüfungen;
c) physische Kontrollen, Laboruntersuchungen oder andere Tests, die von den Benannten Stellen im Rahmen der Stichprobenprüfungen, der Bewertung der technischen Dokumentation und der Musterprüfung gemäß Anhang IX Abschnitte 3.4. und 4.3, Anhang X Abschnitt 3 und Anhang XI Teil B Abschnitt 15 durchzuführen sind.
Die in den Unterabsatz 1 genannten Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 114 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.
MDR Version vom 05.05.2017

1 Grundlagen

1.1 Struktur der Vorschriften zur Konformitätsbewertung in der MDR

Die grundsätzlichen Bestimmungen zur Konformitätsbewertung sind in Kapitel V, Abschnitt 2, in den Artikeln 52–60 MDR dargelegt.
Artikel 52 MDR legt die anzuwendenden Verfahren für Medizinprodukte, aber auch für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung gemäß Anhang XVI MDR abhängig von ihrer Klassifizierung fest.
Artikel 53 MDR regelt die Mitwirkung der Benannten Stellen an den jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahren sowie auch die Beziehung zwischen Hersteller und Benannter Stelle im Rahmen der Konformitätsbewertung.
Artikel 54 MDR regelt die Anwendbarkeit des Konsultationsverfahrens für bestimmte Klasse-III- und Klasse-IIb-Produkte (Klasse-III-Implantate und aktive Klasse-IIb-Produkte, die dazu bestimmt sind, Arzneimittel in den Körper abzugeben und/oder aus dem Körper zu entfernen).
Artikel 55 MDR beschreibt weiterführend den Mechanismus zur Kontrolle der Konformitätsbewertung dieser Produkte.
Artikel 56 und 57 MDR enthalten Regelungen hinsichtlich der Anforderungen an die Konformitätsbescheinigungen, ihre Gültigkeitsdauer sowie die Inhalte des elektronischen Systems für Benannte Stellen und Konformitätsbescheinigungen.
Artikel 58 MDR regelt den freiwilligen Wechsel einer Benannten Stelle durch den Hersteller.
Artikel 59 MDR beschreibt die Ausnahmen von den Konformitätsbewertungsverfahren, beispielsweise behördlich genehmigtes und im öffentlichen Interesse liegendes Inverkehrbringen von Produkten, die kein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben.
Artikel 60 MDR regelt die Ausstellung von Freiverkaufszertifikaten.
Anhänge II und III MDR
Die Anhänge II und III MDR beschreiben die Inhalte und formalen Anforderungen an die technische Dokumentation für alle Produkte und bilden die dokumentarische Basis für jede Konformitätsbewertung. Die unterschiedlichen Verfahren für die Konformitätsbewertung unter Beteiligung einer Benannten Stelle werden in den Anhängen IX, X und XI MDR beschrieben, das Verfahren für Sonderanfertigungen im Anhang XIII MDR.
Hinweis: Sofern Produkte im Rahmen klinischer Prüfungen angewendet werden, sind die Voraussetzungen für die jeweiligen Produkte in den Artikeln 62−81 MDR und den zugehörigen Anhängen XIV und XV geregelt (s. Kap. A0101, Artikel 52 Abs. 13 MDR).

1.2 Rechtlicher Hintergrund der Konformitätsbewertungsverfahren

Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der Konformitätsbewertungsverfahren sind im Beschluss Nr. 768/2008/EG [1] festgelegt. Dieser Beschluss dient als Richtwerk für neu zu erstellende oder zu überarbeitende Rechtsakte für die Vermarktung von Produkten im europäischen Wirtschaftsraum. Er beschreibt unter anderem ein Modulsystem von unterschiedlichen Verfahren zur Konformitätsbewertung. Bei neu zu erstellenden oder zu überarbeitenden Rechtsvorschriften, wie beispielsweise der MDR, werden diese Festlegungen angewandt. Damit möchte der Gesetzgeber ein möglichst harmonisiertes und transparentes System zur Konformitätsbewertung von Verbraucherprodukten im EU-Markt erreichen.

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