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04022 § 20 MPG: Allgemeine Voraussetzungen zur klinischen Prüfung

Das MPG wurde mit dem Geltungsbeginn der MDR aufgehoben. Allerdings hat es noch so lange Bedeutung, wie die sogenannten Legacy Devices verkehrsfähig sind. Denn die Legacy Devices entsprechen noch den alten Richtlinien 90/385/EWG oder 93/42/EWG und das MPG beinhaltet die nationalen Regeln für die Umsetzung der Richtlinien (s. Kap. 02120, 2.13). Deshalb stellen wir Ihnen die Kommentierung des MPG auch weiterhin in diesem Werk zur Verfügung. [1]
Arbeitshilfen:
§ 20 Allgemeine Voraussetzungen zur klinischen Prüfung
(1) Mit der klinischen Prüfung eines Medizinproduktes darf in Deutschland erst begonnen werden, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese nach Maßgabe des § 22 zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde nach Maßgabe des § 22a genehmigt hat. Bei klinischen Prüfungen von Medizinprodukten mit geringem Sicherheitsrisiko kann die zuständige Bundesoberbehörde von einer Genehmigung absehen. Das Nähere zu diesem Verfahren wird in einer Rechtsverordnung nach § 37 Absatz 2a geregelt. Die klinische Prüfung eines Medizinproduktes darf bei Menschen nur durchgeführt werden, wenn und solange
1. die Risiken, die mit ihr für die Person verbunden sind, bei der sie durchgeführt werden soll, gemessen an der voraussichtlichen Bedeutung des Medizinproduktes für die Heilkunde ärztlich vertretbar sind,
1a. ein Sponsor oder ein Vertreter des Sponsors vorhanden ist, der seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat,
2. die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, ihre Einwilligung hierzu erteilt hat, nachdem sie durch einen Arzt, bei für die Zahnheilkunde bestimmten Medizinprodukten auch durch einen Zahnarzt, über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist und mit dieser Einwilligung zugleich erklärt, dass sie mit der im Rahmen der klinischen Prüfung erfolgenden Aufzeichnung von Gesundheitsdaten und mit der Einsichtnahme zu Prüfungszwecken durch Beauftragte des Auftraggebers oder der zuständigen Behörde einverstanden ist,
3. die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, nicht auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt ist,
4. sie in einer geeigneten Einrichtung und einem angemessen qualifizierten Prüfer durchgeführt und von einem entsprechend qualifizierten und spezialisierten Arzt, bei für die Zahnheilkunde bestimmten Medizinprodukten auch von einem Zahnarzt, oder einer sonstigen entsprechend qualifizierten und befugten Person geleitet wird, die mindestens eine zweijährige Erfahrung in der klinischen Prüfung von Medizinprodukten nachweisen können,
5. soweit erforderlich, eine dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende biologische Sicherheitsprüfung oder sonstige für die vorgesehene Zweckbestimmung des Medizinproduktes erforderliche Prüfung durchgeführt worden ist,
6. soweit erforderlich, die sicherheitstechnische Unbedenklichkeit für die Anwendung des Medizinproduktes unter Berücksichtigung des Standes der Technik sowie der Arbeitsschutz-und Unfallverhütungsvorschriften nachgewiesen wird,
7. die Prüfer der klinischen Prüfung über die Ergebnisse der biologischen Sicherheitsprüfung und der Prüfung der technischen Unbedenklichkeit sowie die voraussichtlich mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken informiert worden sind,
8. ein dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechender Prüfplan vorhanden ist und
9. für den Fall, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder beeinträchtigt wird, eine Versicherung nach Maßgabe des Absatzes 3 besteht, die auch Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet
(2) Eine Einwilligung nach Absatz 1 Nr. 2 ist nur wirksam, wenn die Person, die sie abgibt,
1. geschäftsfähig und in der Lage ist, Wesen, Risiken, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung einzusehen und ihren Willen hiernach zu bestimmen, und
2. die Einwilligung selbst und schriftlich erteilt hat.
Eine Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.
(3) Die Versicherung nach Absatz 1 Nr. 9 muss zugunsten der von der klinischen Prüfung betroffenen Person bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherer genommen werden. Ihr Umfang muss in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken stehen und auf der Grundlage der Risikoabschätzung so festgelegt werden, dass für jeden Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit einer von der klinischen Prüfung betroffenen Person mindestens 500.000 Euro zur Verfügung stehen. Soweit aus der Versicherung geleistet wird, erlischt ein Anspruch auf Schadensersatz.
(4) Auf eine klinische Prüfung bei Minderjährigen finden die Absätze 1 bis 3 mit folgender Maßgabe Anwendung:
1. Das Medizinprodukt muss zum Erkennen oder zum Verhüten von Krankheiten bei Minderjährigen bestimmt sein.
2. Die Anwendung des Medizinproduktes muss nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein, um bei dem Minderjährigen Krankheiten zu erkennen oder ihn vor Krankheiten zu schützen.
3. Die klinische Prüfung an Erwachsenen darf nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft keine ausreichenden Prüfergebnisse erwarten lassen.
4. Die Einwilligung wird durch den gesetzlichen Vertreter oder Betreuer abgegeben.
Sie ist nur wirksam, wenn dieser durch einen Arzt, bei für die Zahnheilkunde bestimmten Medizinprodukten auch durch einen Zahnarzt, über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist. Ist der Minderjährige in der Lage, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, so ist auch seine schriftliche Einwilligung erforderlich.
(5) Auf eine klinische Prüfung bei Schwangeren oder Stillenden finden die Absätze 1 bis 4 mit folgender Maßgabe Anwendung: Die klinische Prüfung darf nur durchgeführt werden, wenn
1. das Medizinprodukt dazu bestimmt ist, bei schwangeren oder stillenden Frauen oder bei einem ungeborenen Kind Krankheiten zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern,
2. die Anwendung des Medizinproduktes nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um bei der schwangeren oder stillenden Frau oder bei einem ungeborenen Kind Krankheiten oder deren Verlauf zu erkennen, Krankheiten zu heilen oder zu lindern oder die schwangere oder stillende Frau oder das ungeborene Kind vor Krankheiten zu schützen,
3. nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Durchführung der klinischen Prüfung für das ungeborene Kind keine unvertretbaren Risiken erwarten lässt und 4. die klinische Prüfung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nur dann ausreichende Prüfergebnisse erwarten lässt, wenn sie an schwangeren oder stillenden Frauen durchgeführt wird.
(6) (aufgehoben)
(7) (aufgehoben)
(8) (aufgehoben)

1 Einleitung

Klinische Prüfungen von Medizinprodukten im Sinne des Medizinproduktegesetzes dienen der Erhebung von klinischen Daten, die zur Durchführung einer klinischen Bewertung erforderlich sind. Sie sind für aktive implantierbare medizinische Geräte nach der Richtlinie 90/385/EWG sowie für sonstige Medizinprodukte nach der Richtlinie 93/42/EWG im Rahmen der klinischen Bewertung vorgesehen. Bei In-vitro-Diagnostika wird diese Prüfung „Leistungsbewertungsprüfung” genannt (s. Kap. 04021Klinische Bewertung, Leistungsbewertung” und s. Kap. 04031Leistungsbewertungsprüfung”).
Zu unterscheiden sind die Begriffe „klinische Bewertung” und „klinische Prüfung”:
Die klinische Bewertung dient dazu, die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck unter normalen Einsatzbedingungen anhand von klinischen Daten nachzuweisen:
etwaige auftretende unerwünschte Nebenwirkungen zu ermitteln und zu beurteilen, ob diese unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungen irgendwelche Risiken darstellen;
das Nutzen-Risiko-Verhältnis zu beurteilen.
In begründeten Ausnahmefällen können andere als klinische Daten z. B. aus präklinischen Tests oder technischen Untersuchungen ausreichend sein.
Die klinische Bewertung muss nach einem definierten und methodisch einwandfreien Verfahren erfolgen [2] und gegebenenfalls einschlägige Harmonisierte Normen berücksichtigen, d. h.: eine klinische Bewertung muss nachvollziehbarsein. Die Einhaltung von Harmonisierten Normen lässt vermuten, dass die klinische Bewertung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Zur Erstellung einer klinischen Bewertung wird empfohlen, die von der Europäischen Kommission veröffentlichte Leitlinie MEDDEV 2.7.1 rev. 3 zu berücksichtigen (s. Kap. 04021Klinische Bewertung, Leistungsbewertung” und s. Kap. A0401MEDDEV-Leitlinien”).
Die klinische Prüfung ist nach der Harmonisierten Norm DIN EN ISO 14155: 2012-01
eine systematische Prüfung an einer oder mehreren Versuchsperson(en), die vorgenommen wird, um die Sicherheit oder Leistungsfähigkeit eines Medizinprodukts zu bewerten[3] [4].
Ziel einer klinischen Prüfung ist es, klinische Daten zu erhalten, die zur Durchführung einer klinischen Bewertung erforderlich sind. Die klinische Prüfung ist erforderlich, wenn klinische Daten aus der Literatur, aus klinischer Erfahrung oder aus bisher durchgeführten klinischen Prüfungen nicht ausreichen.
Mit anderen Worten: Im Rahmen der Konformitätsbewertung ist der Nachweis zu führen, dass alle für das betreffende Medizinprodukt zutreffenden Grundlegenden Anforderungen erfüllt sind. Durch eine klinische Prüfung sind nur die noch fehlenden klinischen Daten des betreffenden Medizinprodukts zu erzeugen, die zum Nachweis der Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen erforderlich sind.
Die klinische Prüfung hat den Zweck,

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